Sonntag, 24. Juni
Die Zutaten stimmen: 25 Segelbegeisterte und 5 Teamer aus allen Ecken Deutschlands - ich bin gespannt, wie diese Zwischenahner Woche wird.
Viele sind mit ihren Gedanken noch nicht ganz angekommen. Irgendwo auf der Autobahn war eine Sperrung mit Umleitung, einige kommen daher viel später als geplant und Uta hatte bis zu Abendessen gar keine Gelegenheit, ihre Bettwäsche einzusammeln ... Aber egal: 19 Uhr, segelfertig am Bootsschuppen, ist ja klar.
Wenn der erste Kurs in Zwischenahn losgeht, waren vorher schon viele Leute sehr fleißig, um die Boote aus dem Winterlager zu holen und aufzubauen. Andi war auch dabei und ist noch da. Er legt Wert auf die Tatsache, dass er den roten Zugvogel neu lackiert hat. Also: Bitte keine Kratzer reinmachen!! Der gelbe Zugvogel liegt leider noch an Land und wartet auf seinen neuen Mast.
Alle anderen Boote liegen am Steg und wir werden sie jetzt gleich das erste Mal ausprobieren. Abendsegeln in Zwischenahn - oft eine gemütliche Angelegenheit, ideal zum ersten Kennenlernen der Mitsegler beim entspannten Plaudern an Bord. Das ist heute etwas anders. Wir haben kräftigen Wind, dazu kräftige Böen. Dass Julian zum ersten Mal dabei ist, merkt man an seiner Frage "Aber Zugvögel können doch nicht kentern, oder?" Die anderen an Bord sagen, dass Zugvögel eigentlich natürlich nicht kentern, jedenfalls meistens.
Frank brüllt in eine Böe: "Was wäre die Alternative gewesen? Fußballkucken?" und muss sehr laut lachen. Wir haben viel Spaß bei viel Krängung. Beim orangefarbenen Zugvogel gibt's noch etwas mehr Krängung, insgesamt etwas zu viel, sodass die DLRG noch kurz kommen muss - soviel zu Julians Frage.
Die zweite Halbzeit des Spiels England-Italien haben wir dann aber doch noch gekuckt. (Der öffentlich-rechtliche Kommentar wie gewohnt grenzwertig "Ist das jetzt the Return of the ... äh, altes System?")
Montag, 25. Juni
Für den Nachmittag gibt es eine Warnung vor starken Böen, also sammeln sich viele Segelwillige um 9 am Bootsschuppen - wer weiß, was der Nachmittag bringt. Wir haben ordentlichen Wind, ein bißchen weniger zwar als am Vorabend, aber mehr als genug für allerlei spektakuläre Manöver - teils geplant, teils nicht.
Chef Christian bittet darum, eine Revierbegrenzung einzuhalten, was Marion mit einem gemurmelten "Segelkindergarten" kommentiert. Marion und Gerd segeln sehr schick in gelbem Ölzeug und türkisfarbener Weste. Sie sitzen auf der Kante der Plitsch wie zwei Kanarienvögel auf der Stange und verlassen das vorgesehene Gebiet auf dem See ab und an unauffällig. Aber um die Beiden muss sich niemand Sorgen machen.
Am Nachmittag nimmt der Wind tatsächlich zu. Wir Teilnehmer bleiben an Land. und etliche von uns beschließen, Eis essen zu gehen. Bevor wir in den Ort aufbrechen, schauen wir uns an, wie die Teamer plus Andi mit den drei Lasern rausfahren. Und sind mehrheitlich ganz froh, dass wir nicht dabei sind.
Dienstag, 26. Juni
Heute ist nur noch mäßiger Wind, aber immerhin lohnt es sich, rauszufahren. Es ist leider auch immer noch ganz schön kühl - das hatten wir uns irgendwie anders vorgestellt. Mit recht viel Zweckoptimismus versuchen wir, uns das schönzureden.
Während wir uns das Mittagessen schmecken lassen, üben die Teamer im Selbstversuch, Leute aus dem Wasser ins MoBo zu ziehen. Das klappt sehr zackig. Der Wind könnte also kommen ...
Am Nachmittag scheint es aber zuerst mal nur ein wenig wärmer zu werden. Klaus bringt es auf den Punkt: "Man friert jetzt nur noch gerade so viel, dass man nicht schwitzen muss." Kurz gesagt: Es herrschen schon beinahe ideale Bedingungen. Wetterkundige machen sich jetzt allerdings langsam ernsthaft Sorgen um den Wind.
Am Abend treffe ich auf der Wiese Axel, der begeistert verkündet: "In einer Viertelstunde ist Sonnenuntergang!" Eigentlich ja kein Termin zum im-Kalender-notieren, aber es stimmt - die Sonne haben wir schon länger nicht mehr gesehen. Jetzt, am späteren Abend, lugt sie durch die Wolken. Die meisten Segler haben sich mit Liegestühlen auf dem Steg postiert, um zuzuschauen. Sozusagen Public Viewing of the ... äh ... Sonnenuntergang.
Ganz und gar wolkenlos versinkt die Sonne am Ende nicht hinter dem Horizont. Das haben routinierte Zwischenahn-Segler schon romantischer gesehen. Aber immerhin haben die Wolken tolle Formen. Timo entdeckt direkt über der Sonne einen "fröhlichen Fisch". Nicht alle können das spontan nachempfinden - da fehlt teilweise noch ein Bierchen für den kreativen Blick.
Mittwoch, 27. Juni
Um halb acht prasselt noch der Regen herunter. Als um acht die ersten Segler zum Frühstück schlappen, hat er aufgehört. Es ist auch nicht kalt. Die Wiese dampft. In den Bäumen rings um das JH-Gelände zwischern viele Vögel sehr laut. Überall tropft es. Es hat etwas von Regenwald.
Auf dem See liegt dicker Nebel. Und kein bisschen Wind in Sicht, der in wegpusten könnte. Die Teamer packen den alten Teamer-Spruch aus: "Man kann bei jedem Wind etwas lernen." Julian, Kerstin un
d Brigitta fallen beinahe darauf rein, treffen dann aber doch die richtige Entscheidung: Heute morgen wird nicht gesegelt. In unterschiedlichen Grüppchen brechen etliche Segler auf zu einem Ausflug nach Oldenburg.
Am Nachmittag ist die Situation mehr oder weniger unverändert. Segeln ist so leider nicht möglich. Wir weichen auf andere Extremsportarten aus: Billard, Paddeln, und vor allem Stand-up-Paddeln.
Marina hat ihr Board mitgebracht und gibt gern Einweisungen an Interessierte. Die Herangehensweise der Schnupper-Stand-up-Paddler ist der unterschiedlich: Während sich Christan sofort technischen Finessen widmet ("Wie fährt man mit dem Ding denn geradeaus?"), steht Sascha von Anfang an mit der Würde und Eleganz eines Venezianischen Gondelfahrers auf dem Brett. Almut wählt den action-betonten Learning-by-Doing-Approach und fällt zur Begeisterung der Zuschauer mehrmals spektakulär ins Wasser.
Am Abend ist Bergfest. Es gibt unten im Bootsschuppen Fajitas und später extrem leckere Cocktails. Die Esstecknik bei den Fajitas variiert. Einige basteln sich bemerkenswert ordentliche Päckchen, in der Gruppe der Wickel-Verweigerer ist man sich dagegen einig: "Das Essen ist gut, aber es ginge auch ohne diesen Bierdeckel." Bei den Cocktails gibt es keine zwei Meinungen - die sind klasse.
Donnerstag, 28. Juni
Die gestrige Flaute haben die Teamer genutzt, um den Mast bei Yellow Submarine anzubringen. Nun liegen wieder alle Boote nebeneinander am Steg. So soll das sein!
Aber heute morgen ist ... kein Wind. Wer dies liest und noch nicht in Zwischenahn zum Segeln war, könnte den völlig falschen Eindruck gewinnen, hier gäbe es fast nie guten Wind. Das täuscht! Es gibt in Zwischenahn sehr oft sehr schönen Wind. Nur eben heute morgen nicht. Manuel sagt beim Frühstück verwundert "Ich habe es noch nie geschafft, in Zwischenahn ein Buch zu lesen - in dieser Freizeit könnte es klappen".
Um einen Lagerkoller zu verhindern, verstärkt Tönjes seine Bemühungen bei der Rekrutierung von Beachvolleyballern. Sogar ich stehe am Ende auf dem Feld. Wie konnte das denn jetzt passieren? Ich weiß gar nicht, wie es geht. Es macht aber mächtig Spaß.
Endlich, am Nachmittag: Wind! So pünktlich haben wir uns noch nie um 14 Uhr am Bootsschuppen versammelt. Alle stürzen auf den Steg, machen Boote klar und legen ab. In der Eile vergessen die meisten den Sonnenschutz. Beim Abendbrot leuchten viele rote Arme und Beine, Nasen und Ohren.
Der lange Segelentzug führt dazu, dass neun Leute das Abendsegeln dem Halbfinale Deutschland-Italien vorziehen - gute Entscheidung! Als Almut, Marina und Manuel genau zur Halbzeitpause in den Bootsschuppen kommen und hören, dass es 0:2 steht, fragt Manuel "Wollen wir noch mal rausfahren?"
Nach dem verlorenen Halbfinale kommt, sozusagen als Kontrastprogramm, der Wunsch auf, etwas zu singen. Beim gruppendynamisch hochkomplexen Singen in Zwischenahn lassen sich drei Phasen unterscheiden: A. die Lied-Auswahl, B. die Vorbereitungsphase und C. den eigentlichen Gesang. In Phase A versucht der nicht ganz freiwillig tätige Gitarrenspieler, die Griffe für "Yellow Submarine" einzustudieren, das bis eben als Favorit galt. Gleichzeitig tauschen zwei Grüppchen sachliche Argumente aus: "Westerland!", "Nein, Lemon Tree!", "Lemon Tree ist blöd, Westerland!" usw. Einige Spontis stimmen schon mal was von Reinhard Mey an. Dann einigen wir uns auf "Ring of Fire".
Phase B: hektisches Geblätter in den Mappen ("Lied ist in dieser Mappe nicht drin", "Muss doch drin sein", "Ist es aber nicht!", usw.), die Feinabstimmung beginnt ("Kennst Du die Melodie?" "Nee, aber ich glaube, Armin schon") und der Gitarrist versucht vergeblich einen Rückzieher: "Timo, willst Du mal?"
In Phase C singen wir wie immer vielstimmig und ab der Liedmitte stark rückläufig. Wenn wir fertig sind, also etwa nach zwei Dritteln des Lieds, spielt der Mann an der Gitarre einen gekonnten Schlussakkord. Alle schauen andächtig zu Boden. Danach beginnt sofort wieder Phase A.
Dass das Ganze nicht konzertreif ausfällt, hat mit der hohen Zahl an Passivsängern zu tun. Lego-Klaus meldet sich vorher ab: "Ich bin heiser." Marina sagt: "Wie jetzt, Klaus? Ich dachte, Du hättest was am Knöchel?" "Genau, das ist jetzt hochgewandert."
Später daheim werden sich alle an einen wundervollen Singabend erinnern. Dieses erstaunliche Gehirnwäsche-Phänomen führt dazu, dass es im nächsten Jahr wieder heißt "Wisst Ihr noch, letztes Jahr? Da haben wir sooo schön gesungen!"
Man hat mich ermutigt, hier meinen persönlichen Eindruck wiederzugeben. Das möchte ich an dieser Stelle tun: Die Singerei in Zwischenahn war immer sehr lustig, aber schön war das in den Kursen, die ich in zehn Jahren besucht habe, noch nie.
Freitag, 29. Juni
Heute morgen reicht der Wind zum Segeln. Er weht nicht sehr stark, aber beständig. Die meisten von uns fahren raus und haben Spaß. Nachmittags ist schon wieder alles anders. Das Wetter präsentiert in einer Art Schnelldurchlauf das Auf und Ab der vergangenen Tage: Regen mit Flaute, dann Sonne und etwas Wind, dann wieder kein Wind, dann wieder ein bisschen, aber aus einer anderen Richtung. Wir dümpeln etwas lustlos über den See.
Tönjes reagiert sofort und bildet nach dem Mittagessen erneut Arbeitskreise für Liegestütze und Sit-ups und besonders fiese "Dips". Erstaunlicherweise findet das reges Interesse.
Abends wird der Wind wieder besser, und viele von uns nutzen das, um nach dem Abendessen noch mal rauszufahren in einen schönen Sonnenuntergang. Schließlich geht die Woche langsam dem Ende zu - da gilt es, jeden Wind zu nutzen ...
Samstag, 30. Juni
Während Unwetter in anderen Teilen Deutschland heftige Schäden und sogar Todesfälle verursacht haben, verabschiedet sich das Zwischenahner Meer von uns mit Bilderbuchwetter und tollem Wind. Inzwischen wissen wir auch wieder, wie man das macht - bei Sonne segeln: Mit ausreichend Sonnencreme, Hütchen und Trinkwasservoräten an Bord legen unsere Boote ab und flitzen wenig später über den See. Man sieht Gennaker, Spinnaker, fröhliche Segler im Trapez und überhaupt viele glückliche Gesichter.
Am Abend kommt Carinas Schwester Anja an. Sie wird zusammen mit Timo, Jörn und zwei weiteren Teamern in der nächsten Woche einen Grundkurs betreuen. Zum Abschluss des Kurses grillen wir unten am Bootsschuppen. Ganz vielen Dank an Uta und Brigitta, die das Abendessen toll vorbereitet haben und die erste Schicht am Grill übernehmen.
Heute Abend gibt es noch mal einen wunderschönen Sonnenuntergang. Ein bisschen wehmütig sitzen wir auf dem Steg, lassen die Beine baumeln und können uns gar nicht losreißen von diesem Traum in blau und rosa.
Sonntag, 1. Juli
All my things are packed, I'm ready to go ... Der Sonntagmorgen in Zwischenahn ist schrecklich. Immer. Wir wollen noch nicht nach Hause - wir sind doch gerade erst angekommen. Auch so ein Zwischenahn-Segeln-Phänomen: Irgendwie scheint die Zeit gleichzeitig stillzustehen und zu rennen.
Wir machen noch fix ein Gruppenfoto. Ein Segler hat heute Geburtstag. Christian schlägt vor, dass die Gruppe ihm als Geschenk kein Geburtstagslied singt, was allgemeine Zustimmung findet. Aber natürlich wünschen wir ein richtig gutes neues Lebensjahr!
In die Getränkekasse einzahlen (Danke an das perfekte Getränke-Team!!), Schäkel abgeben, Betten abziehen. Jeder verabschiedet sich von jedem gefühlt mindestens dreimal - Alles Gute, komm gut heim, bis zum nächsten Jahr. Dann ist es vorbei. Es war eine tolle Woche.